Wie fühlt es sich an, ein Expat oder ein Immigrant zu sein? Wie bewältigt ein Mensch das Gefühl der verlorenen kulturellen Identität und dem Mangel an Zugehörigkeit? In dieser Reihe von Geschichten spricht Lucify mit einigen Expats über ihre Erfahrungen, nachdem sie ihr Heimatland verlassen haben und nun einen neuen Ort ihr zu Hause zu nennen.
Parul Chhaparia
«Hör auf so pingelig zu sein, das ist nicht die Schweiz. Dieses System hier läuft anders»: Meine Freunde hinterliessen mich für einen Moment sprachlos. Während meines kürzlichen Aufenthalts in meinem Heimatland Indien wurde ich mehrmals aufgefordert, mich «nicht schweizerisch» zu verhalten oder daran erinnert, dass ich «mich verändert» habe. Zunächst fühlte ich mich davon angegriffen und begann mich zu verteidigen, dass ich immernoch dieselbe bin. Später jedoch riefen diese Kommentare weitere Gedanken hervor. Gedanken über mein Zugehörigkeitsgefühl.
Es war nur acht Jahre her, dass ich in die Schweiz ausgewandert bin und ich habe mein zu Hause immer vermisst. Deshalb war es für mich stets auf meiner jährlichen Agenda, meine Freunde und Familie in Indien zu besuchen. Diesmal jedoch ist es das erste Mal, dass ich mein Schweizer zu Hause vermisse, meine Freunde und mein Leben dort im Allgemeinen.
Was ist es, warum ich die Schweiz vermisse?
Ich hatte eine harte Zeit, bis ich diesen Ort und das Leben dort akzeptiert habe. Wir hatten eine Hass-Liebe Romanze. Meine ersten paar Jahre habe ich hauptsächlich damit verbracht, darüber nachzudenken, ob ich bleiben oder wieder zurückkehren soll. Es brauchte Beide (den Ort und mich), um eine Freundschaft miteinander zu entwickeln. Als wir das geschafft hatten, wurde es leichter und glücklicher.
Noch immer betrachte ich mich nicht als «gut passend» zur Kultur der Schweiz. Ich gebe noch immer mein Bestes, um mich gut zu integrieren und die kulturellen Veränderungen anzunehmen. Neben den unzähligen anderen Dingen habe ich auch die Sprache übernommen, aber ich klinge immernoch ausländisch, wenn ich spreche. Meine Schweizer Freunde plänkeln immernoch mit mir über das berühmte «Indian head bubble». Für sie bin ich nach wie vor ihre indische Freundin und in meiner eigenen Wahrnehmung bin ich ein indischer Expat, die eine Gelegenheit bekommen hat, in einem der schönsten Länder auf diesem Planeten Erde leben zu dürfen.
Jedenfalls fühlt sich diesmal mein Heimatland anders an. Genau wie meine Freunde in Indien denken, dass ich mich verändert habe, fühle auch ich mich etwas fehl am Platz. Ich spreche nicht mehr gleich aus, wenn ich etwas sehe, das ich inakzeptabel finde und behalte meine Kommentare für mich bei Themen, die mich sonst stets beschäftigt haben. Das geschieht nicht bewusst, aber es fühlt sich so an, als ob meine Kommentare hier nicht mehr zählen, weil ich nicht mehr hierher gehöre.
Es ist wahr, dass sich ein Ort beginnt wie unser eigener anzufühlen, wenn wir eine bestimmte Zeit dort verbringen. Derselbe Ort, der sich zunächst fremd und wie eine Zwischenstation angefühlt hat, wird der Ort unserer Zugehörigkeit, wenn wir durch den kulturellen Schock hindurchgelangt sind und die neue Gesellschaft adaptiert haben. Tatsächlich finde ich meine Geborgenheit in meinem neuen zu Hause. Allerdings fühle ich mich nun wie ein Expat voller Widersprüchlichkeiten.
Ein Teil meiner Seele vermisst seine «Heimat» und sieht sich selbst als Ausländerin in der Schweiz. Die andere Hälfte jedoch, fühlt sich auf dem Schweizer Boden zu Hause. Es ist ein permanenter Kampf, zwischen diesen zwei Welten zu navigieren, die so verschieden voneinander sind. Das Gefühl, niemals ganz zu Hause zu sein, ist eine tägliche Realität.