Der Weg irgendeiner Anstellung über eine bessere Stelle bis zum Traumjob ist ein typischer Weg den Migranten und Migrantinnen gehen müssen. Weil Migranten oft dazu bereit sind, Kompromisse einzugehen und Jobs zu akzeptieren, die nicht dem Niveau ihrer Qualifikationen und Fähigkeiten entsprechen. Eine Person in einem solchen Arbeitsverhältnis bezeichnet man als überqualifizert.
Welche Jobangebote akzeptieren hochqualifizierte Migranten und bis wie weit sind sie während der Dauer der Übergangsjobs bis zu ihrer angestrebten Karriere bereit, Kompromisse einzugehen? Diese Thematik diskutierten wir mit Sara Landolt vom Geographischen Institut der Universität Zürich. Zusammen mit ihrer Arbeitskollegin Susan Thieme und einem Studententeam untersuchte sie die Situation und Integration von Migranten im Schweizer Arbeitsmarkt.
Wer herausfinden möchte, warum Landolt die Verantwortung des Integrationsprozesses zum Teil auch dem schweizerischen Staat zuspricht und wie die sozialen und rechtlichen Strukturen des derzeitigen Arbeitsmarktes in der Schweiz funktionieren, kann nachfolgend das Interview mit ihr hören oder lesen.
Hier findet man die wissenschaftliche Publikation von Landolt und Thieme, erhältlich bei www.sciencedirect.com.
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Lucify.ch: Hallo Sara. Es ist eine Ehre dich hier bei Lucify.ch zu haben. Kannst du dich bitte kurz für Lucify.ch vorstellen?
Landolt: Ich bin Sara Landolt. Ich arbeite an der Universität Zürich, im Institut für Geographie. Wir haben eine Forschungsgruppe die sich vor allem mit Jungen, Jugendlichen, jungen Erwachsenen, Migration und Bildung auseinandersetzt.
In diesem Kontext haben wir verschiedene Untersuchungen gemacht. Einerseits über eher jüngere Jugendliche, die im obligatorischen Schulsystem sind, aber auch über tertiär ausgebildete junge Personen, vor allem aus Südeuropa, die in die Schweiz migriert sind. Da haben wir uns auch mit solchen Fragen auseinander gesetzt, wie der Einstieg für solche tertiär ausgebildete Personen in den Arbeitsmarkt erfolgt.
Lucify.ch: Kannst du uns ein bisschen darüber erzählen? Weil das eben ein Thema ist an dem Lucify.ch als Projekt auch sehr interessiert ist.
Landolt: Ja, das mache ich gerne. Ich habe dieses Projekt zusammen mit Susan Thieme durchgeführt, die auch eine Geographin an der Universität Bern ist. Was wir vertieft betrachtet haben, waren Personen aus Spanien, die den Abschluss in Spanien gemacht haben und die erst nach der Ausbildung migriert sind.
Ich betone das, weil das sehr wichtig ist. Wenn man den Abschluss in einem anderen Land gemacht hat, ist es zum Teil sehr schwierig zu erreichen, dass dieser Abschluss in der Schweiz anerkannt wird. Und deswegen ist es für Leute, die ihren Berufsbildungsabschluss oder ihren Hochschulabschluss im Ausland gemacht haben, je nach Beruf eine grosse Herausforderung, hier diese Anerkennung zu erhalten.
Etwas anderes, wovon man oft ausgeht, und das zum Teil in der Politik so porträtiert wird, ist, dass es für hochqualifizierte Leute einfach sei, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Weil sie eine Ausbildung haben, teilweise bereits Berufserfahrung, gewohnt sind zu verhandeln, gut ausgebildet sind. Man nimmt einfach an, dass sie selbstbewusst sind und somit ein Selbstläufer. Und das stimmt einfach nicht.
Es gibt Leute, denen gelingt dieser Einstieg relativ einfach, oder die kommen schon mit einem Jobangebot oder mit einem unterschriebenen Vertrag. Aber man vergisst oft, dass es auch Leute gibt, die zwar hochausgebildet sind, also gute Abschlüsse haben, aber dann dieser Einstieg trotzdem nicht so einfach gelingt.
Lucify.ch: Kannst du uns deine Meinung dazu sagen was du denkst, ob das Thema Migration nur mit rein ökonomischen Argumenten bearbeitet werden kann?
Landolt: Nein, das glaube ich nicht. Also, es kommt darauf an was man damit erreichen will. Wenn man sich einfach mal die ökonomischen Zahlen anschauen will, kann man das schon machen. Aber es erklärt sicher nicht das ganze Bild. Dazu gehört auch anderes.
Es stellt sich hier die Frage nach der Aufgabe von der Schweiz und das kann man natürlich unterschiedlich anschauen. Es kommen nun mal auch Leute in die Schweiz, die mit Herausforderungen konfrontiert sind. Und dann kommt es für mich zu kurz wenn man nur die Ökonomie anschaut. Es ist ein sehr bestimmtes Weltbild, wenn man davon ausgeht, dass wir über Ökonomie alles erklären können oder wollen oder müssen.
Die Ökonomie, sei es die Ökonomie des Staates, wie auch ökonomische Bewegungen der einzelnen Migranten oder Migrantinnen, ist natürlich wichtig. Wenn ich keinen Job habe oder wenn ich nur einen sehr schlecht bezahlten Job habe, dann ist das relevant. Das macht etwas mit einer Person. Oder wenn sie lange arbeitslos ist, hat das ökonomische Dimensionen, aber auch psychologische. Ökonomische Aspekte sind ein Teil, aber nie das Gesamte.
Und wenn man beispielsweise die Zahlen anschaut von Personen mit tertiärem Abschluss, wie viele davon von Überqualifikation betroffen sind, also die eine höhere Ausbildung haben als ihr Job erfordert, dann ist der Anteil grösser bei den Leuten, die migriert sind, als bei Personen die nicht migriert sind. Das heisst, wir haben auch gesellschaftliche Strukturen die hier am Werk sind, die Herausforderungen mit sich bringen.
Lucify.ch: Es ist sehr spannend von dir auch eine andere Meinung zu hören und es war sehr interessant deinem Vortrag zu folgen. Ich war überrascht, wie du in deiner Recherche eben nicht nur mit ökonomischen Argumenten gearbeitet hast, sondern das ganze Bild präsentiert.
Ich glaube, dass das, was du uns erzählt hast, unserem Publikum auf Lucify.ch dabei hilft, eine andere Perspektive von der ganzen Situation zu bekommen.
Dankeschön.