Esther Oester ist Schweizerin, war aber lange im Ausland für die internationale Zusammenarbeit tätig. Zum Beispiel in Afghanistan, Honduras oder Tansania. Hier hat sie direkt erfahren, wie Menschen in Kriegssituationen oder problematischen Lebenskontexten oft kleine Traumata erleiden, welche sie auf ihrer Flucht mittragen und die ihnen das Leben auch in einem sicheren Umfeld erschweren.
Sie ist seit einigen Jahren wieder in Bern und hat ein eigenes Projekt auf die Beine gestellt, das geflüchteten Menschen in der Schweiz helfen soll. Das Konzept wurde von ihr gemeinsam mit politischen Flüchtlingen und Fachleuten für psychische Gesundheit entwickelt: Paxion ist ein auf Augenhöhe agierendes Projekt, welches psychologische und soziale Beratung anbieten will. Grund dafür ist, dass in der Schweiz 50 bis 60 % der Asylsuchenden und Flüchtlinge von traumabasierten-Störungen betroffen sind und es zu wenige Therapieplätze gibt. Zudem werden die Dolmetscherkosten von den Krankenkassen nicht übernommen.
Als Vorbild für die Umsetzung, diente Paxion das deutsche Projekt Ipso. Inge Missmahl, Gründerin der International PsychoSocial Organisation hat ebenfalls einen Hintergrund in der internationalen Zusammenarbeit. Das Konzept hat sie während eines humanitären Einsatzes als Psychologin in Afghanistan entwickelt.
In dem seit 2005 eingeführten psychosozialen Beratungsprogram werden in Deutschland motivierte Fachkräfte aus dem psychologischen oder sozialen Bereich ausgebildet, die eine Fluchterfahrung haben. Sie sollen ressourcen- und problemlösungsorientiert hilfesuchende Menschen mit Migrationshintergrund beraten und sie in einer selbstwirksamen Lebensweise stärken, dies unter Berücksichtigung des persönlichen kulturellen Hintergrundes. Themen der Beratung sind persönliche Probleme, aber auch Familienkonflikte und Schwierigkeiten, die sich aus kultureller Verschiedenheit und unterschiedlichen Wertesystemen entwickeln.
Paxion hat wie Ipso das Leitmotiv, dass die psychische Gesundheit eines Menschen von dessen kultureller Identität stark beeinflusst wird und eine Behandlung am besten gelingt, wenn auch Fachpersonen die Kultur und die Erfahrungen der Person selber kennen. Darum wird als erster Schritt, wie auch in Deutschland, das Modul ComPaxion aufgebaut, eine Ausbildung als psychosoziale BeraterInnen für Fachpersonen verschiedener Herkunft und mit Fluchterfahrung. Diese soll Ende 2019 starten, wie bereits an der Projektvorstellung vom 4. Mai in Bern angekündigt wurde. In einer zweiten Phase, soll auch das Modul PartiziPaxion starten, in dem sich selbstorganisierte Gruppen Geflüchteter und Einheimischer selbst organisieren, um sich zu vernetzen und am sozialen und politischen Leben in der Schweiz teilzuhaben.
Wie Fana Asefaw, Vorstandmitglied und Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie uns im Interview erzählt hat, sind oft die psychologischen Probleme Geflüchteter nicht für eine klassische Therapie geeignet, weil sie eigentlich von kultureller Überforderung abhängig sind. Menschen kommen zum Psychiater und werden als unproblematisch diagnostiziert oder gehen erst zum Notfall wenn es zu spät ist. Eine niederschwellige psychosoziale Beratung, die auch den persönlichen kulturellen Hintergrund berücksichtig, gibt es im Schweizer Gesundheitssystem nicht, sagt Fana. Darum engagiert sie sich für die Umsetzung von Paxion.