Das bestimmende und kontrollierende Verhalten der Männer gegenüber Frauen, sowohl in privaten Beziehungen als auch am Arbeitsplatz, ist ein grosses und zu diskutierendes Thema, erst Recht nachdem man als Zuschauer das Leben von Mr.Willy und seiner lieblichen Muse auf der Leinwand verfolgt hat. Wie weit könnte seine Art von Verhalten gehen und wo muss die Grenze gezogen werden?
Im Film wird betont, dass die junge Colette (Keira Knightley) ohne die Hilfe von Willy (Dominic West) keine Chance hat, eine aktivistische, kreative oder künstlerische Arbeit aufzunehmen. Willy und Colette verlieben sich, er nimmt sie mit nach Paris und zeigt ihr eine der pulsierendsten Städte zur Zeit der Jahrhundertwende. Zugleich eröffnet er ihr einen möglichen Weg, um in dieser neu entstehenden Welt Geld zu verdienen. Ungeachtet seiner wahren Intentionen öffnet Willy damit eine Tür für Colette, die andernfalls keinerlei Ahnung von all diesen Möglichkeiten gehabt hätte.
Willy stiehlt Colettes originale Manuskripte und zwingt sie unter seinem Namen zu schreiben, mit der Begründung, dass er selbst bereits namhaft ist. Diese bösartige Handlung ist zugleich ein allgemeingültiges Produkt einer materialistischen Welt. In einer Welt, wo Geld und Ruhm den Erfolg befeuern, war der einzig mögliche Weg dorthin die Art, in der auch Willys Handeln erfolgt. Als die junge Colette das erste Mal realisiert, dass ihr lieber Willy kein vertrauensvoller Ehemann ist, geht sie zurück auf das Land, um über die Rolle nachzudenken die sie in Willys Leben spielt und um sich mit dieser bitteren Realität auseinanderzusetzen.
Colette gewöhnt sich mit der Zeit daran, viele verschiedene Rollen zu spielen: Frau, Muse, Sekretärin, Geliebte und Autorin von Willys Romanen. Gleichzeitig war sie eine Künstlerin, die unter ihrer Verkleidung ein unglaubliches Talent verborgen hielt. Colette stand all dem mit einer solch positiven Haltung gegenüber, dass sie weder das Dramatische darin zeigte noch ihre inneren emotionalen Turbulenzen zum Ausdruck brachte. Diese Charakterzeichnung Collete’s ist allgemein eine der besten Eigenschaften des Films, ebenso wie ihr gesamter Wert als Charakter innerhalb der Filmrollen.
Eine subtil groteske Note erhellt im Film oft die Stimmung in schwierigen Momenten, kann aber gleichwohl nicht die harte Realität darüber besänftigen was es bedeutet, die Sklavin von jemandem, unter der falschen Vortäuschung rein geschäftlicher Absichten zu sein.
Der Authentizität wegen wäre es überzeugender gewesen, wenn das Hollywood Flair sowohl in der Geschichte selbst, als auch in ihrer Bearbeitung vermieden worden wäre. Der ganze Film ist grundsätzlich von einer klassischen Note begleitet, die in vielen Momenten zur grotesken Atmosphäre beiträgt, in einigen Szenen jedoch auch deplatziert wirkt.
Colettes spätere weibliche Geliebte Missy (Denise Gough) unterstützt sie darin, sich mehr zu emanzipieren und fördert ihre Arbeit und Kunst. Missy plant einen Geniestreich, als sie Colette fragt, was sie wirklich glücklich macht. Missys Tarnung und ihr gespieltes Interesse in der Rolle als Unterstützerin ist grandios. Es ist keine einfache Aufgabe für einen männlichen Filmdirektor, solche starken und inspirierenden weiblichen Charaktere entsprechend aufzubauen und abzubilden. Das gilt sowohl in Bezug auf die Hauptrolle, wie auch für die Rolle von Missy.
Westmoreland hat das Drehbuch in Zusammenarbeit mit seinem verstorbenen Ehemann Richard Glazer geschrieben, mit dem er auch 2014 „Still Alice“ gemeinsam geschrieben und veröffentlicht hat.
Rebecca Lenkiewicz, die bemerkenswert für ihre Entwicklung weiblicher, für ihre Freiheit kämpfende Charaktere ist, hat ebenfalls an dem Skript gearbeitet.
Ein weiterer grosser Frauencharakter im Film ist Georgie (Eleanor Tomlinson), deren reicher Ehemann sehr darum bemüht ist, dass die schmutzigen Details nicht an das Licht der Öffentlichkeit gelangen. Das erotische Spiel, das Colette und Willy mit ihr spielen, hätte förderlich für das persönliche Leben und die kreative Karriere von Georgie sein können.
Es begann auf eine schöne Art und Weise, aber schon bald wurde alles durch Willys Unfähigkeit ehrlich zu sein und die Wahrheit auszusprechen zerstört. Willys völlige Unfähigkeit, sich Colette gegenüber dankbar zu zeigen, zerstört am Ende schliesslich alles.
All diese Intrigen werden angeführt von Willys Gier, seinem Verlangen viel Geld zu verdienen, Geschichten zu verkaufen und in den Pariser Kreisen mehr und mehr berühmt zu werden. Nach all diesen turbulenten Geschehnissen realisiert Colette, wie die Menschen tatsächlich sind und was sie tun muss, um in dieser boshaften Welt erfolgreich zu sein. Sie beginnt sich ebenfalls Ziele zu setzen und hart darfür zu arbeiten, um diese zu erreichen.
Obwohl die Ereignisse des Films zeitlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts stattfinden, gelten mitunter auch bis heute noch dieselben harten Spielregeln wie zur damaligen Zeit. Meist sind sie geschickt verborgen unter vielfältigen Erscheinungsformen und enden oft in noch grauenhafteren Aktionen, als dies im Film zu sehen ist.
Der Film Colette läuft in der Schweiz seit dem 3. Januar 2019.