Am 7. März 2020 hat das Team von Lucify.ch eine Benefizveranstaltung im Parterre, Luzern, besucht. Der Event wurde vom „Zentralplus“ organisiert, um die Journalistin Jana Avanzini zu unterstützen. Jana Avanzini arbeitet seit 2018 als freie Journalistin. Vorher hat sie vier Jahre als Redaktorin des Online- Magazins zentralplus.ch gearbeitet. Sie schrieb eine Reportage über die Hausbesetzung an der Obergrundstrasse in Luzern. Dreas Projekt war in grossen Teilen der Bevölkerung unter dem Namen „Gundula“ bekannt. (Hier kann man ihre Reportage auf zentralplus.ch lesen). Einige Monate später wurde Avanzini von der Polizei vorgeladen und per Strafbefehl verurteilt.
Avanzini´s Fall hat es vorher in der Schweiz so noch nie gegeben. Es ist ein Fall, in dem erstmals eine Journalistin verurteilt würde, weil sie aus einer Hausbesetzung heraus berichtet hat. Einen solchen Fall gab es im schweizer Rechtssystem bisher nicht. In Zukunft könnte das bedeuten, dass jede Bürgerin oder jeder Bürger, Journalisten für grenzwertiges Verhalten anzeigen darf. Die Gerichte könnten Avanzini’s Fall hinzu ziehen und feststellen, dass auch sie damals verurteilt wurde. Wie sie selber im Interview sagte:
« Was ist, wenn ich als Journalistin an einer unbewilligten Demonstration mitgehe, Leute befrage, dokumentiere und eingekesselt werde? Lande ich dann in Zukunft auch im Knast?»
Zentralplus hat, im Rahmen des Benefitsevents, ein Gesprächspodium zum Thema organisiert. Am Gesprächspodium nahmen folgende Medienschaffende aus der Schweiz teil:
Simon Canonica, Journalist und seit 25 Jahren bei der Tamedia Gruppe für medienrechtliche Fragen zuständig
Ueli Haldimann, ehemaliger Chefredakteur des SRF
Mascha Santschi, Medienrechtsanwältin
Lena Berger von „Zentralplus“ übernahm die Moderation.
Die Journalistin Jana Avanzini war selbst ebenfalls anwesend.
Es wurde zunächst über die Geschichte unserer Kollegin Jana Avanzini berichtet. Die drei weiteren Teilnehmer besprachen ihre Erfahrungen bezüglich der Medienfreiheit in der Schweiz mit dem Publikum. Alle Gespräche zeigten die Komplexität der Fragestellung, ob und bis zu welchem Punkt die Medienfreiheit in der Schweiz tatsächlich gegeben ist.
Lucify.ch hat mit Jana Avanzini ein Interview geführt (Podcast Link), um dem Publikum die Thematik näherzubringen. Unsere Hoffnung ist, dass sich durch ihr Beispiel die Medienfreiheit in der Schweiz deutlich verbessert.
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Das Interview mit Jana Avanzini
Lucify.ch:
Hallo miteinander! Lucify.ch ist im Moment bei Jana Avanzini, meine Kollegin und Journalistin, die eine Kampagne für Freiheit in den Medien führt. Jana, kannst du uns ein bisschen über deine Kampagne erzählen? Wie ist das entstanden, was ist eigentlich der Hintergrund davon, dass dich Zentralplus dabei unterstützt und so weiter?
Jana Avanzini:
Die ganze Geschichte fing an mit der Hausbesetzung an der Obergrundstrasse in Luzern, bei den meisten bekannt unter dem Namen „Gundula“. Ich arbeitete damals noch bei Zentralplus und wir entschieden uns dann, eine Reportage aus dieser Hausbesetzung heraus zu machen.
Dann bin ich dort rein und habe mir einen Eindruck verschafft von dieser Situation und schrieb daraufhin einen Bericht darüber. Einige Monate später wurde ich dann deswegen von der Polizei vorgeladen und dann auch per Strafbefehl verurteilt.
Dass ich verurteilt worden bin, ist eine Abwägung des Richters, der das Eigentumsrecht des Besitzers, also dass niemand dieses Haus betreten darf, wichtiger gewichtet als… Vom Staat her wäre ich eigentlich damals freigesprochen gewesen.
Der Punkt ist, dass wahrscheinlich dem Besitzer nicht passt, was ich geschrieben habe. Wahrscheinlich, wenn ich geschrieben hätte „Schaut mal, alle diese verfilzten Besetzer hier drin, die machen alles kaputt. Der arme Hausbesitzer!“ dann glaube ich nicht, dass der Hausbesitzer Einsprache gegen die Einstellungsverfügung erhoben hätte.
Dann hätte er wahrscheinlich nichts mehr gesagt, dann wäre das gegessen gewesen. Aber es ist spezifisch der Hausbesitzer, der mich verurteilt sehen möchte.
Der Richter sieht die Relevanz vom öffentlichen Interesse nicht so hoch gewichtet wie das Recht des Besitzers, dass sein Haus, das er verlottern lässt, nicht betreten wird von einer Journalistin.
Lucify.ch:
Wie ist jetzt der Zustand. Ist dein Fall ein Beispiel ein Fall wie so etwas wie `die Unabhängigkeit der Medien ist bedroht` oder wie ist das?
Jana Avanzini:
Es ist tatsächlich ein Fall, den es so in der Schweiz noch nie gegeben hat. Es ist ein Fall, in dem eine Journalistin dann rechtskräftig verurteilt wäre, wenn sie aus einer Hausbesetzung heraus berichtet hat. Das wäre der erste Fall.
Das bedeutet, dass das nachher von anderen Gerichten als Beispielsfall hinzugezogen werden kann, wenn sie einen ähnlichen Fall haben.
Das heisst, in Zukunft könnte jede oder jeder, die oder der genug Geld hat, Journalisten für grenzwertiges Verhalten anzeigen und die Gerichte würden dann allenfalls meinen Fall hinzu ziehen und feststellen, dass ich damals auch verurteilt wurde.
Ich meine, was ist bei unbewilligten Demos? Was ist, wenn ich als Journalistin an einer unbewilligten Demonstration mit gehe, Leute befrage, dokumentiere und eingekesselt werde? Lande ich nun in Zukunft auch im Knast?
Ich bin überzeugt davon, dass es aus diesem Grund so viele Leute interessiert. Die Republik hat mehrfach darüber berichtet und auch die Süddeutsche Zeitung berichtete darüber. Das stärkte mir etwas den Rücken. Weil ich gemerkt habe, da sind ganz viele Leute, denen dieser Fall wichtig ist und die das genau so sehen wie wir.
Lucify.ch:
Es ist wie bei David und Goliath.
Jana Avanzini:
Genau. Das Problem ist, dass eigentlich beide recht haben. Der Punkt ist, dass es im Ermessen des Richters oder der Richterin liegt zu entscheiden was höher gewichtet ist in diesem Fall.
Lucify.ch:
Ich drücke dir die Daumen und wir machen alles, um dich zu unterstützen durch unsere Community.